Gewährleistungsrecht

Ein genauerer Blick auf das (neue) Gewährleistungsrecht – VGG

In der letzten Ausgabe vom Spengler Fachjournal (03/2023) wurde ein genauerer Blick auf die konkreten Änderungen des Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (kurz GRUG) im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (kurz ABGB) geworfen. Zur Erinnerung wird darauf hingewiesen, dass Gewährleistungsansprüche von KäuferInnen nunmehr für bewegliche Sachen innerhalb von zwei Jahren und drei Monaten und für unbewegliche Sachen innerhalb von drei Jahren und drei Monaten von ihren Vertragspartnern eingefordert werden können. Der neue § 933b ABGB sieht nunmehr ein volles Regressrecht vor und ist nicht mehr mit dem an die VorhändlerIn geleisteten Entgelt begrenzt.

 

Dieser Beitrag soll einen Überblick über das neue Verbrauchergewährleistungsgesetz (kurz VGG) geben. Wichtigste Änderung des GRUG ist die Einführung eines weiteren Gewährleistungsnormatives. Neben dem altbekannten Gewährleistungsbestimmungen der §§ 922ff ABGB sind nunmehr auch die Regelungen des VGG zu berücksichtigen. Erschwerend kommt hinzu, dass das VGG inhaltlich und begrifflich eng mit dem Konsumentenschutzgesetz (kurz KSchG) verwoben ist. Vorab gilt wie immer, sich den Anwendungsbereich des VGG genauer anzusehen.

 

Das VGG ist auf Verträge über den Kauf von Waren (dazu gleich weiter unten) anzuwenden, die nach dem 31.12.2021, also ab dem 01.01.2022, zwischen UnternehmerInnen und VerbraucherInnen geschlossen werden.

 

Unter dem Begriff „Kauf von Waren“ versteht das VGG den Kauf von beweglichen, körperlichen Sachen und solchen, die noch herzustellen sind (zB Werklieferungsvertrag). Dies bedeutet, dass „normale“ Werkverträge“ (zB Wartungsarbeiten Gastherme, Ausmalen, Reinigung verstopfter Wasserleitungen etc) nicht unter das VGG fallen. Im Zweifelsfall lohnt es sich wohl schon im Vorfeld rechtlich abklären zulassen, welche Bestimmungen auf den konkreten Vertrag zur Anwendung kommen.

 

Weiterer Anwendungsbereich des VGG sind Verträge, die eine Bereitstellung digitaler Leistungen beinhalten. Der Begriff „digitale Leistungen“ ist sehr weit und inkludiert Videos, Fotos, Musik genauso, wie Apps, Computerprogramme, Social Media, Streaming-Dienste etc. Für die digitalen Leistungen muss auch nicht ein gesonderter (Kauf-)Preis gezahlt werden, es reicht schon aus, dass VerbraucherInnen zur Benutzung der digitalen Leistungen ihre personenbezogenen Daten dem Unternehmen übergeben haben.

 

Handelt es sich also bei einem Vertrag um einen Vertrag über digitale Leistungen gemäß dem VGG ist unbedingt zu erwähnen, dass eine Aktualisierungspflicht für zumindest zwei Jahre normiert wird. Dies heißt, dass für die verkauften digitalen Leistungen jene Aktualisierungen zur Verfügung gestellt werden müssen, die notwendig sind, damit die Ware oder die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht. Achtung (!), diese Aktualisierungspflicht besteht gemäß § 1 (3) VGG auch für Verträge mit digitalen Leistungen zwischen UnternehmerInnen (B2B). Auch wenn die genauere Betrachtung der Aktualisierungspflicht den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde, sollte noch zumindest auf die Unterscheidung zwischen vertraglich vereinbarten Aktualisierungen einerseits und objektiv erforderlichen, also notwendigen, Aktualisierungen andererseits eingegangen werden.

Während den vertraglichen Aktualisierungsvereinbarungen kaum Grenzen gesetzt sind, also auch tatsächliche Verbesserungen („Upgrades“) der ursprünglichen vertraglich vereinbarten digitalen Leistungen zulässt, behandelt der § 7 VGG jene Aktualisierungen, welche notwendig sind, dass die digitale Leistung dem vertraglich vereinbarten entspricht und dieser Zustand auch aufrechterhalten bleibt.

 

Gewährleistungsrechtlich bringt das VGG ebenso Neuigkeiten. Grundsätzlich unterscheidet das VGG nicht mehr zwischen Verbesserung und Austausch. Bei digitalen Leistungen kann primär „nurmehr“ die Herstellung eines mangelfreien Zustands gefordert werden (dann erst Preisminderung und Auflösung des Vertrages). Die Beweislastumkehr, also die Vermutung, dass bereits bei Übergabe ein Mangel vorgelegen ist, gilt bei Verträgen nach dem VGG für ein Jahr (nur sechs Monate nach dem ABGB); die Gewährleistungsfrist beträgt, ähnlich dem ABGB, zwei Jahre. Wie im ABGB gilt auch im VGG, dass Ansprüche von VerbraucherInnen erst nach weiteren drei Monaten, nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist, verjähren.

 

Findet eine Bereitstellung von digitalen Leistungen jedoch fortlaufend statt, zB Streaming- Dienste, cloud-Speicherplatz etc, so dauert die Beweislastumkehr und Gewährleistungsfrist während der gesamten Bereitstellungsdauer an. Die Verjährung tritt frühestens nach drei Monaten nach dem Ende des Bereitstellungzeitraums ein.

 

Im nächsten Beitrag soll auf die konkreten Änderungen im KSchG eingegangen und diese erklärend dargelegt werden.

Foto © Isabella Klara Petricek
Foto © Isabella Klara Petricek

Mag. Simon Häussler

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