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Hagelsicherheit

Hagelsicherheit von Abdichtungen unter Dachbegrünungen

Der Klimawandel führt zu einer Zunahme von Extremwetterereignissen wie Hagel, der die Lebensdauer von Dächern beeinträchtigt. Gründächer sind eine der häufigsten Maßnahmenvorschläge, um Gebäude und Städte an den Klimawandel anzupassen.

 

Um die Hagelbeständigkeit von Gründachaufbauten und der darunter liegenden Dachabdichtung festzustellen, wurden Vorversuche zur Wissensgewinnung durchgeführt. Ziel war der Erkenntnisgewinn, wie ein Gründach aufgebaut sein muss, damit dieses Hagelkörner (mind. 5 cm) in einer Form absorbieren kann, dass die darunter befindlichen Dachabdichtungen keine Schäden erfahren. 

 

Es ist wichtig, dass Gebäude widerstandsfähiger gegenüber standortspezifischen Extremwetterereignissen und sonstigen Veränderungen der Umwelt werden, um Schäden zu minimieren. Hagelschäden zählen zu Elementarschäden.

Die Untersuchung umfasste eine Hagelschlagprüfung, gemäß den derzeit gültigen und im D-A-CH Raum anerkannten Prüfrichtlinien der Vereinigung kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG). Durchgeführt wurden die Prüfungen am Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung (IBS). Die Prüfung umfasste den Beschuss mittels Laboreiskugeln von verschiedenen Gründachaufbauten, Kornmischungen, Trägerlagen. Anschließend wurden die Dachaufbauten auf etwaige Schäden geprüft und analysiert. Die untersuchten Gründachaufbauten wurden mit der Mindestaufbaudicke gemäß ÖNORM L1131 durchgeführt. Die Untersuchungsergebnisse beziehen sich daher auf alle Dachaufbauten mit Substratschichtdicken ≥ 80mm. Gegenstand dieses Leitfadens ist die Darstellung der Hagelsicherheit von Gründächern als Merkblatt zur ÖNORM B 3691 und ÖNORM L1131. 

 

Ausführung der Aufbauten

Geprüft wurden Warmdachaufbauten, da dies der ungünstigste Fall bei Hagelbelastung ist. Damit werden alle Gründachaufbauten nach ÖNORM L 1131 sowie die dazugehörigen Dachaufbauten nach ÖNORM B 3691 abgedeckt.

 

PROBEKÖRPER 1

Aufbau von innen nach außen

  • Europalette 80 x 120 cm
  • OSB-Platte 18 mm

Aufbau 1

Elastomerbitumenbahnen (linke Seite):

  • Untere Lage: E-KV-4 wf gemäß ÖNORM B 3660, Tabelle 8 – Bitumenbahnen für Gründächer
  • Obere Lage: E-KV-5 wf gemäß ÖNORM B 3660, Tabelle 8 – Bitumenbahnen für Gründächer

Aufbau 2

Plastomerbitumenbahnen (rechte Seite):

  • Untere Lage: E-4 sk gemäß ÖNORM B 3660, Tabelle 5 – Bitumenbahnen für Unter- und Zwischenlagen von mehrlagigen Systemen
  • Obere Lage: P-KV-5 wf gemäß ÖNORM B 3660, Tabelle 8 – Bitumenbahnen für Gründächer

PROBEKÖRPER 2

Aufbau von innen nach außen

 

  • Europalette 80 x 120 cm
  • OSB-Platte 18 mm 

Aufbau 1 

Kunststoffbahn aus flexiblen Poleolefinen (FPO/TPO) (linke Seite/weiß):

  • Einlagige FPO/TPO – DG 1,8 mm  Kunststoff-Abdichtungsbahn gemäß ÖNORM B 3663 Tabelle 8 – Kunststoffbahnen unter Auflast wie Begrünungen und, Verkehrsflächen oder Ähnliches

Aufbau 2

Kunststoffbahnen aus vollvernetztem Ethylen-Propylen-Dien-Terpolymer

  • Einlagige EPDM – DG 1,5 mm Kunststoff-Abdichtungsbahn gemäß ÖNORM B 3663 Tabelle 8 – Kunststoffbahnen unter Auflast wie Begrünungen und, Verkehrsflächen

PROBEKÖRPER 3

Aufbau von innen nach außen

 

 

  • Europalette 80 x 120 cm
  • OSB-Platte 18 mm

Aufbau 1

Kunststoffbahn aus PIB (linke Seite/grau):

 

  • Einlagige PIB  Kunststoff-Abdichtungsbahn 1,5 mm gemäß ÖNORM B 3663 Mindestanforderungen an Kunststoffbahnen unter Auflast wie Begrünungen und Verkehrsflächen oder Ähnliches

 

Der Hageltest

Die Prüfbestimmungen der VKG zur Ermittlung des Hagelwiderstandes bilden die Grundlage für eine einheitliche, produkteneutrale Prüfung und Klassifizierung von Bauteilen bezüglich ihres Hagelwiderstandes. Sie umfassen die allgemein gültigen Vorgaben zur Durchführung der Hagelwiderstandsprüfung. Ebenso werden verbindliche Hinweise zur Dokumentation der Prüfanordnung und der erreichten Resultate beschrieben. 

 

Für die Ausführung der Prüfungen an den diversen bereitgestellten Gründachaufbauten wurde die Prüfbestimmung 09 – Dichtungsbahnen herangezogen. 

Ziel war unter anderem, dass die in der Norm SIA 261/1 (2020) in Kapitel 9 bezüglich der Hagelwiderstandsklasse geforderten Anforderungen an die Gebäudehülle, abgedeckt werden können. Um die Prüfergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, werden die Ergebnisse zur Prüfung und Publikation im Hagelregister vorgelegt und gelistet.  

 

Verlauf

Zum Erreichen der Zielsetzung, einer produktneutralen Eintragung im Hagelregister, wurden gesamt sechs verschiedene Dachaufbauten erstellt. Aufbauend auf den in der Prüfbestimmung 09 definierten Anforderungen wurde gemeinsam mit dem Fachausschuss FA1 des Verbandes für Bauwerksbegrünung ein Prüfprogramm inklusive zugehörigen Probekörperdefinitionen erarbeitet. Die produzierten Probekörper wurden in weiterer Folge von den Herstellern appliziert und im Prüfinstitut mit diversen Schüttungen bedeckt. Dabei erfolgte der jeweilige Aufbau der Abdichtungen bei den Probekörpern nach den Anforderungen gemäß ÖNORM B 3691 und der Aufbau des Gründaches erfolgte gemäß ÖNORM L1131.

 

Grundanforderungen und Erkenntnisse

Die Ergebnisse haben Gültigkeit für folgende weitere Ausführungen: 

 

Wärmedämmung

  • Verlegung auf die in der ÖNORM B 3691 angeführten Wärmedämmstoffe

Schutzschichten

  • Schutzschichten mit höherer Schutzwirkung gemäß ÖNORM B 3691 Pkt. 4.6 und Pkt. 6.6, wie z.B.: Gummigranulatmatten mind. 6 mm, Wärmedämmstoffe mind. 30 mm sind zulässig.

Drainage

  • Alle kaschierten Drainagematten, die mit einer Schüttung wie im Punkt Substrat beschrieben bedeckt sind
  • Alle Drainageplatten mit aufgelegtem Filtervlies, die mit einer Schüttung wie im Punkt Substrat beschrieben bedeckt sind

Randstreifen bzw. schwerer Oberflächenschutz

  • Randstreifen mit loser oder verklebter Kiesschüttung ist das Vlies bis Oberkante Schüttung hochzuziehen
  • Randstreifen mit Kiesschüttung mit max. 10% zulässigem Kantkornanteil gemäß ÖNORM B 3691, wobei die Vliesunterlage > 300g bis zur Oberkante der Bekiesung gezogen wird
  • Randstreifen mit Kiesschüttung als Kantkorn GK mind. 16/32 gemäß ÖNORM B 3691, wobei die Vliesunterlage > 500g bis zur Oberkante der Bekiesung gezogen wird
  • Randstreifen mit Plattenbelag z.B.: Betonplatten mit einer Dicke ≥ 40 mm, bei sachgemäßer Verlegung mit Oberkante der Platte > 6cm oberhalb der Abdichtung

Substrat

  • Die Ergebnisse haben Gültigkeit für diverse mineralische Substratschüttungen ≥ 80mm gemäß ÖNORM L1131
  • Mineralische Schüttstoffgemische im trockenen und wassergesättigten Zustand
  • Mineralische Schüttstoffgemische im „losen Zustand“ unmittelbar nach aufbringen auf dem Dach
  • Gründachaufbauten, welche durch das Pflanzenwachstum durchwurzelt und bewachsen sind

 

Anmerkungen

Mechanische Randbefestigungen (wenn systemrelevant), ohne Überdeckung mittels Wärmedämmung, sind Teil der Beurteilung, sofern die Oberkante der notwendigen metallischen Bauteile unterhalb der Substratoberkante liegt. Die Abdichtung und Einbauteile außerhalb bzw. oberhalb der Schüttung wurden nicht geprüft. Hier können die Hagelwiderstandsklassen der jeweiligen Hersteller herangezogen werden. Werden bei den Aufbauten Materialien mit höheren Grammaturen oder höheren Schichtdicken verwendet, wirkt sich das positiv auf die Sicherheit aus und sind daher in den vorliegenden Ergebnissen inbegriffen. Der Probekörper wurde mit 7 cm Eiskugeln geprüft und die Wasserdichtheit blieb bei diesen Beschüssen unverändert erhalten. Das Einhalten der vorgeschriebenen Schichtdicke der Schüttung, gemäß ÖNORM L1131, ist essenziell für die Gültigkeit der Ergebnisse.

 

Wartung

Bei den Prüfungen hat sich gezeigt, dass teilweise große (bis zu 6cm tiefe) Deformationen und Materialverdrängungen im Substratbereich durch die Hagelkörner > 5cm ausgelöst werden. Daher muss nach Unwettern mit Hagelschossen > 5cm aufgrund der Oberflächendeformation der Begrünung durch Hageleinschläge eine Wartungsbegehung gemäß ÖNORM B 3691 Abschnitt 7 (Inspektion, Wartung und Instandhaltung) ausgeführt werden. Schäden in der Vegetation sind durch Einsaaten bzw. Pflanzmaßnahmen zu beheben.

 

Zusammenfassung und Fazit

Die Versuche zum Erkenntnisgewinn über die Hagelbeständigkeit von Gründachaufbauten und der darunter liegenden Dachabdichtung durch das Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung haben gezeigt, dass Gründächer mit eine Substratschichtdicke ≥ 80mm eine hohe Widerstandsfähigkeit aufweisen. Unter Einhaltung der Mindestanforderungen der ÖNORMEN B3691 und L1131 bzw. bei Berücksichtigung der weiteren in dem Merkblatt angeführten Ausführungen erfährt die Dachabdichtung sowie der darüberliegende Gründachaufbau keine Schäden durch das Aufkommen von Hagelkörnen > 5 cm. Die Ergebnisse werden im Hagelregister öffentlich gelistet.

 

Das Merkblatt können Sie auf der Homepage von GRÜNSTATTGRAU kostenlos downloaden.

VfB – Verband für Bauwerksbegrünung Österreich

in Kooperation mit GRÜNSTATTGRAU Forschungs- und Innovations-GmbH

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