Immer dann, wenn ein Bauprojekt komplexer ausgestaltet ist oder wenn der Bauherr mehrere Unternehmer zur Herstellung desselben Werks beauftragt, dann richtet er in der Regel auch ein Kontrollorgan ein, das als örtliche Bauaufsicht nicht nur die Ausführung der Leistungen in Übereinstimmung mit den Unterlagen und Plänen, den einschlägigen Vorschriften, den allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie den öffentlich-rechtlichen Genehmigungen überwacht, sondern das auch die Interessen des Bauherrn auf der Baustelle wahrnimmt sowie das Hausrecht ausübt.
Wenn es dann trotz gewissenhaft agierender Werkunternehmer die von der örtlichen Bauaufsicht entsprechend kontrolliert und überwacht wurden, zu Mängeln am Gewerk und zu Schäden kommt, stellt sich mitunter die Frage nach einer Mitverantwortung der Bauaufsicht neben den das Werk ausführenden Unternehmen sowie nach einer Zuordnung der Bauaufsicht zum Bauherrn, um zumindest einen Teil des eingetretenen Schadens abzuwälzen. Der Kreativität der Verantwortlichen sind diesbezüglich (fast) keine Grenzen gesetzt, allein die faktischen und rechtlichen Rahmenbedingungen begrenzen solche Versuche nach einer Verantwortungsminderung.
In der Entscheidung 5 Ob 70/23i hatte der Oberste Gerichtshof zur Verantwortung des Architekten, des Bauphysikers, des Dachdeckers, des Baumeisters sowie der Bauaufsicht bei einem Bauprojekt zu urteilen, bei dem unter anderem auf vier Wohnblöcken Flachdächer mit Lüftungsschächten errichtet wurden. Der vom Architekten geplante Systemaufbau war nicht funktionsfähig, die Bauaufsicht schlug aus brandschutztechnischen Gründen die Ausflockung der Entlüftungsschächte mit einem bestimmten Material vor, das vom Bauphysiker freigegeben wurde, obwohl die Diffusionsdichtheit nicht gegeben war und zu Schäden an den Entlüftungsschächten führte.
Die Beklagten wendeten unter anderem im Verfahren ein, der Bauherr habe die ihn treffende Schadensminderungspflicht verletzt, weil er nicht umgehend die Sanierung der mangelhaften Leistungen auf eigene Kosten in die Wege geleitet habe, weshalb er die aufgrund von Kostensteigerungen erhöhten Sanierungskosten zum Teil selbst tragen müsse. Weiters wendeten die Beklagten ein Mitverschulden des Bauherrn aufgrund der Tätigkeit der von ihm beauftragten Bauaufsicht ein.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte das klagsstattgebende Urteil zum Ersatz der Sanierungskosten an den Bauherrn und lehnte gleichzeitig ein Mitverschulden des Bauherrn aufgrund der Tätigkeit der Bauaufsicht ab. Das Höchstgericht führte zunächst aus, dass der Bauherr nicht verhalten sei, auf eigene Kosten vorweg den Schaden zu beheben um Kostensteigerungen durch Indexanpassungen zu vermeiden. Weites, dass die Bauaufsicht den Bauherrn vor Fehlern schützen soll, die in den Verantwortungsbereich der einzelnen bauausführenden Unternehmer fallen, nicht aber die Unternehmer von ihrer eigenen Verantwortung entlasten oder gar ihre Verantwortung mindern soll. Die Beauftragung einer Bauaufsicht liegt ausschließlich im eigenen Interesse des Bauherrn, sie dient nicht der Entlastung der Bauausführenden. Die bauausführenden Unternehmer können bei Verletzung einer mit der Bauaufsicht verbundenen Verpflichtung mangels Rechtswidrigkeitszusammenhang keine ihre Haftung minderndes Mitverschulden geltend machen. Eine Zurechnung des Verhaltens der Bauaufsicht zum Bauherrn käme nur dann in Betracht, wenn sie Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Bauherrn selbst getroffen hätten bzw. vom Bauherrn nachträglich übernommen worden wären. Das war bei diesem Bauprojekt nicht der Fall, weshalb der Oberste Gerichtshof eine allfällige Mitverantwortung der Bauaufsicht bei der Auswahl des Materials nicht dem Bauherrn zurechnete.
Fazit:
Für die berufliche Praxis ist festzuhalten, dass im Allgemeinen die Tätigkeit der Bauaufsicht im ausschließlichen Interesse des Bauherrn erfolgt. Die Verantwortung der ausführenden Werkunternehmer wird durch die Tätigkeit der Bauaufsicht nicht gemindert. Wohl aber kann es nachträglich im Kreis der ausführenden Werkunternehmer und der Bauaufsicht untereinander zu einer Gewichtung der jeweiligen Verantwortlichkeiten und somit zu einer Schadensaufteilung kommen, dies im Rahmen eines allfälligen Regressprozesses.
Mag. Wilfried Opetnik
Auf baurechtliche Fragen spezialisierter Rechtsanwalt bei:
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